Ende Gelände - Erfolgreiche Protestaktion gegen Kohlekraftwerke
März 2020
Statistiken zeigen, dass die 10 größten CO2 Emittenten Europas, mit Ausnahme der irischen Airline Ryan-Air, Kohlekraftwerke sind [1]. Das ist wenig überraschend, doch sieben von neun dieser umweltschädlichsten Kohlekraftwerke liegen in Deutschland. In einem Land, das sich selbst als „Spitzenreiter im Klimaschutz“ darstellt [2].
Auch in einem weltweiten Ranking zu Klimaschutzbemühungen nimmt Deutschland nur Platz 23, Österreich Platz 38 ein. Der Klimaschutz-Index (CCPI - Climate Change Performance Index) der Entwicklungsorganisation Germanwatch bietet „jährlich ein unabhängiges Kontrollinstrument, um die Klimaschutzbemühungen von 57 Ländern und der EU zu messen“. Der Score wird zu jeweils 20% aus den 3 Kategorien "Erneuerbare Energien", "Energieverbrauch" und "Klimapolitik" zusammengesetzt. Die letzte Kategorie wiegt mit 40% schwerer und besteht aus den sogenannten "GHG Emissionen", also Treibhausgasemissionen [3].
Diesen erhöhten Treibhausgasemissionen durch fortlaufende Kohlekraftwerke muss aktiv entgegengewirkt werden. Da die Politik nicht handelt, hat das Bündnis Ende Gelände am 30.11.2019 zu einer Massenaktion zivilen Ungehorsams aufgerufen. Mit dieser wurde der sofortige Kohleausstieg gefordert und das auf Wachstum ausgelegte fossile Wirtschaftssystem kritisiert. An dem genannten Tag besetzten rund 4000 Aktivistinnen und Aktivisten 3 Kohlebahnen, sowie die Tagebaue Jänschwalde-Ost, Welzow-Süd und Vereinigtes Schleenhain und setzten somit ein Zeichen für Klimagerechtigkeit. Alle Gruppen der Aktivist*innen erreichten ihre Zielorte und die Proteste blieben friedlich [4].
Bei zivilem Ungehorsam wird zur Beseitigung einer gesellschaftlichen Unrechtsituation absichtlich gegen rechtliche Normen verstoßen. Die Beteiligten nehmen dabei in Kauf, für die Gesetzesbrüche bestraft zu werden. Der wissentliche Rechtsbruch hat in einer solchen Aktion auch symbolischen Charakter. Er zeigt die Dringlichkeit, die die teilnehmenden Menschen zu dem Anliegen verspüren und welche sie zum Riskieren von Rechtsstatus und Sicherheit bewegt. Ziviler Ungehorsam dient also als fortgeschrittenes Mittel des friedlichen Protests.
Der Vorteil von Massenaktionen wie dieser von Ende Gelände ist, dass die Mittel und Möglichkeiten des Staates überlastet werden. Auch bei einer Festnahme in der Gefangenen-Sammelstelle, sind es häufig zu viele Teilnehmende, um alle Gefangen dort zu behalten. Oftmals wird zusätzlich die Identität verweigert, wodurch der Prozess für Polizist*innen weiterhin erschwert wird. So können die Aktivist*innen wenn sie unidentifiziert bleiben an weiteren Aktionen teilnehmen, ohne als Widerholungstäter*innen mit schweren Strafen rechnen zu müssen. Zusätzlich gibt es ein eigenständiges Team von Ende Gelände, das sich um rechtliche Prozesse kümmert und hinter den Aktivisten und Aktivistinnen steht.
War die Aktion ein Erfolg? Die Aktion am 30.11 führte zur Einsparung von Emissionen der drei zuvor genannten Kraftwerke für diesen Tag - das ist insgesamt unbedeutend. Viel wichtiger ist die weitreichende mediale Aufmerksamkeit. Allein in Deutschland reichte die mediale Präsenz von der Tagesschau über Spiegel online, die Zeit und ZDF, bis hin zu Lokalmedien und Social Media Kanälen. Diese mediale Aufmerksamkeit macht das Problem bei der Bevölkerung bekannt und erhöht den Druck auf die Politik und soll sie zur Handlung drängen. Die nächste Massenaktion im Sommer 2020 ist bereits in Planung [4].
Historisch gibt es viele Besipiele für erfolgreichen zivilen Ungehorsam: Indischer Freiheitskampf unter Gandhi; Amerikanische Bürgerrechtsbewegung unter Rosa Parks und Martin Luther King; Widerstand gegen das Donaukraftwerk Hainburg; Widerstand gegen den Transport von Atommüll in das Zwischenlager Gorleben in Deutschland [5].
Die deutsche Bundesregierung hat im Jänner 2020 den Kohleausstieg bis spätestens 2038 beschlossen. Daran gab es viel Kritik. Zu spät und zu hohe Abschlagszahlungen für die betroffenen Unternehmen. Andererseits ist damit zumindest erstmalig eine klare Entscheidung für den Ausstieg aus Kohle getroffen worden. Eine Hoffnung besteht darin, dass der Fahrplan zum Ausstieg bis 2032 noch 4-mal überprüft werden muss - ob es nicht auch schneller geht! [6]
Der Kampf für mehr Klimaschutz ist kein Sprint, sondern ein Marathonlauf! Je mehr von uns daran teilnehmen umso besser! Es wird noch viel "Ende Gelände" brauchen!
Quellen:
[1] Statista: Unternehmen in der EU mit den höchsten CO2-Emissionen
[2] Deutsche Bundesregierung: Fragen und Antworten zum Klimaschutz
[3] Germanwatch: CCPI 2020 Results
[4] Ende Gelände: Ende Gelände beendet erfolgreiche Massenaktion
[5] Standard: Warum Widerstand nicht zwecklos ist
[6] DW: Kohleausstieg in Deutschland: Echter Fortschritt oder fauler Kompromiss?
© Leandra Wagner 2020