Herzlich willkommen! Wir freuen uns sehr, dass Sie da sind!
Einleitung
Der Aufstieg populistischer Parteien wird in der Öffentlichkeit und den Medien seit Jahren massiv diskutiert. Es wird darüber gerätselt, was man gegen den Aufstieg des Populismus tun könnte. Die Vorschläge reichen von Ignorieren über ihre Themen zu den eigenen machen bis zur Einbindung in Regierungsverantwortung um sie dort zu „entzaubern“. Ein Mittel gegen den Populismus scheint aber bis heute nicht gefunden worden zu sein.
Wir von Future Aid glauben, dass keine befriedigenden Antworten gefunden werden, weil die falschen Fragen gestellt werden. Die richtige Frage wäre: „Warum wählen Menschen populistische Parteien – was sind ihre Wahlmotive?“
Seriöse Forschung zu diesem Thema ist nicht leicht zu finden weil selten. Das verwundert umso mehr, wenn man bedenkt, wie viel in den Medien über den Populismus geschrieben wird.
Was es recht häufig gibt, ist eine sogenannte „soziodemografische Analyse“ der Wähler populistischer Parteien. Hier untersucht man ganz einfach ob mehr Männer oder Frauen populistische Parteien wählen, ob mehr junge oder mehr alte Menschen, ob sie eher eine hohe Bildung haben oder eine niedrige und ob die Wähler ein eher hohes oder niedriges Einkommen haben.
Die Ergebnisse kennen Sie vermutlich auch. Der typische Wähler populistischer Parteien ist männlich, jung, hat eine niedrige Bildung und gehört eher zu den einkommensschwachen Gruppen. Solche einfachen Einteilungen werden verwendet, um die Wähler einfach in eine Schublade zu stecken. Aber über die Gründe, warum sie populistische Parteien wählen, sagt das wenig aus.
Häufig werden die Wähler populistischer Parteien – auch von vielen Prominenten (der „Elite“) - schlichtweg als dumm bezeichnet. Das erscheint uns von Future Aid als falsch und gefährlich, weil
Wir von Future Aid sind überzeugt, dass nur eine seriöse Analyse der Wahlmotive und der Lebensumstände der Wähler die Frage beantworten kann, warum immer mehr Menschen populistische Parteien wählen.
In diesem Artikel wollen wir das aktuelle Wissen zu diesem Thema darstellen.
Dieselben Fragen gelten auch für die Nichtwähler!
Wir werden dieselben Analysen für die Nichtwähler anstellen über die es noch weniger gute Forschung gibt. Wir wollen prüfen ob und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es zwischen den Wählern populistischer Parteien und den Nichtwählern gibt. Wir glauben die Ergebnisse sagen viel über die aktuellen Probleme unserer Gesellschaft aus.
Werte oder Ängste?[2]
In den Politikwissenschaften gibt es grob gesprochen zwei Theorien[3], warum Menschen populistische Parteien wählen. Beide Theorien sind glaubwürdig – aber welche ist richtig?
Werte:
Die eine Theorie besagt, dass moderne gesellschaftliche Entwicklungen, wie z.B. die Forderung nach Gleichstellung von Mann und Frau (Stichwort: Frauen in der Bundeshymne), Homo-Ehe, ethnische Vielfalt (Stichwort: Multikulti) jene Teile der Gesellschaft die traditionellen Werten anhängen, so provozieren, dass sie sich politisch organisieren und so ihrem Unmut Luft machen.
Ängste:
Die andere Theorie besagt, dass durch die zunehmende Globalisierung sich viele Menschen als Verlierer fühlen oder Angst haben in Zukunft Verlierer zu werden. Hier sind Ängste vor der wirtschaftlichen Zukunft und vor Konkurrenz durch Zuwanderer im Vordergrund.
Bei den Werten unterscheiden wir in Traditionalisten und Progressive.[4]
Traditionalisten sind Menschen, die einen Wunsch nach Ordnung und Stabilität haben. Traditionalisten bevorzugen starke Führungspersönlichkeiten, die den gegenwärtigen Zustand bewahren und in einer Welt Ordnung schaffen, die die Traditionalisten bedroht sehen.
Progressive haben einen Wunsch nach Wandel und Flexibilität. Sie sind generell liberal und lehnen daher Bevormundung durch starke Führungspersönlichkeiten ab. Sie sind weiters sehr fortschrittsgläubig und sehen in Veränderungen hauptsächlich Chancen.
Bei den Ängsten unterscheiden wir in die Angsterfüllten und die Zuversichtlichen.[5]
Die Angsterfüllten sehen die Globalisierung eher als Bedrohung und ihre wirtschaftliche Situation hat sich in den letzten beiden Jahren verschlechtert und sie sehen ihre wirtschaftliche Zukunft pessimistisch.
Die Zuversichtlichen sehen die Globalisierung eher als Chance und ihre wirtschaftliche Situation hat sich in den letzten beiden Jahren verbessert und sie sehen ihre wirtschaftliche Zukunft optimistisch.
Nachdem wir jetzt diese Einteilung getroffen haben, sehen wir uns nun die Ergebnisse an:[6]
Die Europäer sind je zur Hälfte Traditionalisten und Progressive. Es gibt etwas mehr Zuversichtliche als Angsterfüllte.[8]
Wir wissen, dass die Europäer je zur Hälfte Traditionalisten und Progressive sind. Gibt es hier aber Unterschiede nach bestimmten Bevölkerungsgruppen?
Wie wir aus der Grafik 23.2 sehen, gibt es bei den Werten kaum Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen.[9] Lediglich bei der Bildung gibt es stärkere Unterschiede – Menschen mit niedriger Bildung sind um 6% mehr Traditionalisten als Menschen mit hoher Bildung.
Bei den Ängsten ist das Bild aber ein deutlich anders: Menschen der Arbeiterschicht, mit niedriger Bildung, ältere Menschen und Menschen, die am Land leben, sind deutlich angsterfüllter als die jeweils andere Bevölkerungsgruppe!
Fassen wir die ersten Ergebnisse zusammen:
Bei den obigen Ergebnissen haben wir aber noch nicht nach Parteien unterschieden, d.h. in den Werten sind die Wähler aller Parteien enthalten. Das Ziel dieses Artikels ist aber zu prüfen, ob die Wähler populistischer Parteien sich mehr durch Werte oder Ängste von denen anderer Parteien unterscheiden. Dies sehen wir uns im nächsten Schritt an.
In der nächsten Grafik[12] sehen wir die Ergebnisse für fünf europäische Länder. Am Beispiel Österreich erklären wir wie die Grafik zu lesen ist (POP = Wähler populistischer Parteien; SONST = Wähler aller anderen Parteien):
Die Ergebnisse sind für alle 9 Länder vollkommen eindeutig:
Damit ist eindeutig klar:
Ängste (Zukunftsängste, Globalisierungsängste) sind für die Wähler populistischer Parteien ein dominantes Wahlmotiv.
Nun wollen wir uns ansehen, welche auffallenden Meinungsunterschiede zwischen den Angsterfüllten und den Zuversichtlichen bestehen.
Die Angsterfüllten sind viel stärker für einen EU-Austritt und sind viel stärker der Meinung, dass es zu viele Ausländer gibt als die Zuversichtlichen. Die Angsterfüllten haben auch mehr Misstrauen gegenüber Politikern und sind unzufriedener mit der Demokratie – nur sind die Unterschiede hier nicht so groß.
Die Situation in Österreich 2017!
Die Sozialstruktur der Wähler populistischer Parteien ist in allen Ländern sehr ähnlich.
Populistische Parteien:
Die Situation in Österreich ist hier keine Ausnahme.
Die FPÖ hat bei den Wahlen 2017 26% der Stimmen erhalten. Aber 59% der Arbeiter wählten die FPÖ. Sie ist damit bei den Arbeitern mit weitem Abstand die stärkste Partei.
Die FPÖ hat bei den Wahlen 2017 26% der Stimmen erhalten. Aber 35% der Menschen mit Pflichtschulabschluss und Lehre wählten die FPÖ. Sie ist damit bei den Menschen mit geringer Schulbildung mit weitem Abstand die stärkste Partei.
Welche Einstellungen haben FPÖ-Wähler?
Zusammenfassung:
Das Bild ist sowohl in Österreich als auch in allen anderen Ländern der EU eindeutig und gleich:
Wer sind die Nichtwähler?
Wie wir in Artikel 22 gesehen haben, sind die Nichtwähler mit 35% der Wahlberechtigten die größte „Partei“ in der EU. Dies ist insbesondere dann ein Problem, wenn sich die Wünsche und Interessen der Nichtwähler stark von den Wünschen und Interessen der Wähler unterscheiden. Denn dann werden die Nichtwähler von den Regierungen nur mehr unzureichend vertreten. Aus diesem Grund ist es wichtig die Nichtwähler zu kennen – wer sind sie und wie denken sie?
Die Nichtwähler wurden von der politikwissenschaftlichen Forschung leider viel weniger beachtet als die Wähler. Erst seit einigen Jahren werden die Nichtwähler als Forschungsgegenstand wieder erkannt.[16] Die vorhandenen Studien zeigen aber ein sehr eindeutiges Bild:
Die Wahlbeteiligung ist umso geringer:[17]
wobei Arbeitslosigkeit und Schulbildung die wichtigsten Faktoren sind.[18]
Der Zusammenhang zwischen Bildung und Wahlbeteiligung ist in allen westlichen Demokratien zu erkennen.[19]
Ein weiterer wesentlicher Grund für Wahlenthaltung ist Arbeitslosigkeit. Der Effekt ist noch stärker als Bildung[20]. Arbeit ist neben dem Ziel Einkommen zu beziehen, eines der wichtigsten Elemente sozialer Integration und eines der wichtigsten Elemente für das Selbstwertgefühl von Menschen. Auch im Zusammenhang mit Angsterfüllten und Zuversichtlichen (siehe oben im Artikel) und Ausführungen, die später im Artikel kommen, ist Folgendes besonders interessant:
Alleine die Angst arbeitslos zu werden senkt die Wahlbeteiligung[21]!
Ein dritter wesentlicher Einflussfaktor auf die Wahlbeteiligung ist das Einkommen[22].
Jene die weniger als 1.125,- EUR monatliches Nettohaushaltseinkommen haben gehen nur zu rd. 67% zur Wahl. Jene die mehr als 5.000,- EUR monatliches Nettohaushaltseinkommen haben gehen jedoch zu 94% zu Wahl.[23]
Auffallend – auch im Zusammenhang mit dem, was wir weiter unten zeigen werden – ist, dass die Wahlbeteiligung bei sinkendem Einkommen erst mit einigen Jahren Verzögerung sinkt. Anders gesagt – wenn das Einkommen nur kurzfristig niedriger ist, hat dies keinen Einfluss auf die Wahlbeteiligung.[24]
Ein weiterer Grund für das Nichtwählen ist das soziale Umfeld.[25] Dies ist ein neuer Aspekt, der gründlich erforscht wurde. Der Kontakt mit Wählern erhöht die Wahlbeteiligung, der Kontakt mit Nichtwählern senkt sie. „Die Wahrscheinlichkeit der Wahlteilnahme sinkt von 77 auf nur noch 19 (!) Prozent, wenn jemand annimmt, dass in seinem Freundeskreis die meisten nicht wählen, gegenüber jemandem, der annimmt, dass sich die meisten Personen in seinem Freundeskreis an Wahlen beteiligen.“[26] Da sich Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen und geringe Bildung häufig in bestimmten Stadteilen konzentrieren („Gettobildung“) gibt es bei der Wahlbeteiligung enorme Unterschiede zwischen einzelnen Stadtteilen innerhalb einer Stadt.
Empfundene Ungerechtigkeit[27] ist ein weiteres Element. Die sozial Schwachen:
Diese Einschätzungen haben sich aber nicht geringfügig verändert, sondern massiv!
Die sozial Schwachen reagieren darauf aber nicht mit
Eine weitere Gruppe, die überdurchschnittlich wenig wählt, sind – neben den sozial Schwachen – die jungen Menschen.[28] Ein Beispiel: Im Jahr 1970 war die Wahlbeteiligung der Jungen (18-24) um 18% geringer als die der Alten (65-74). Im Jahr 2005 war die Wahlbeteiligung der Jungen bereits um 40% geringer als die der Alten. Welche fatalen Auswirkungen dies haben kann, hat die Brexit-Abstimmung gezeigt, bei der die Jungen zwar mehrheitlich für einen Verbleib in der EU gestimmt haben, aber aufgrund der geringen Wahlbeteiligung der Jungen die Austrittsgegner gewonnen haben.
Wir wissen jetzt einiges über die Nichtwähler aber noch nicht ausreichend, welche Arten von Nichtwählern es gibt und was ihre Motive sind. Nichtwähler sind nicht eine einheitliche Gruppe. Man kann sie vereinfacht in 3 Gruppen einteilen:[29]
Es gibt fallweise noch immer die Meinung, dass Nichtwähler kein Problem sind, weil sie einfach so zufrieden mit der Politik sind, dass sie keine Änderung wollen und daher auch nicht wählen gehen. Dies stimmt in keiner Weise. Wir können die Wähler und Nichtwähler hinsichtlich ihrer Einstellung zur Politik grob in drei Gruppen unterscheiden:
Zwei Dinge sind damit klar:
Die Meinung dass Nichtwähler auch grundsätzlich nicht an Politik interessiert sind ist falsch.[32]
61% interessieren sich stark für das politische Geschehen und 82% unterhalten sich häufig oder gelegentlich über Politik. Wie bereits weiter oben erläutert ist dieses Interesse aber bei Jungen (unter 30-Jährigen), Arbeitern und Menschen mit geringer Schulbildung deutlich geringer.
Wer sich für Politik interessiert, muss Informationen darüber bekommen. Es ist daher nicht überraschend, dass die Jungen und die Arbeiter – die geringeres Interesse an Politik haben – auch deutlich weniger TV-Nachrichten sehen und Tageszeitungen lesen (wo sie Informationen bekommen würden) und deutlich häufiger Boulevard-Zeitungen lesen (wo sie keine oder hauptsächlich negative Informationen bekommen).
Was wollen die Nichtwähler?
Es wird viel darüber geschrieben, wie man die Wahlbeteiligung erhöhen könnte. Man sollte sich einfach ansehen was die Nichtwähler wollen. Hier die Hit-Liste:[33]
Interessant ist folgendes – dass Wirtschaftswachstum sehr wichtig ist glauben aber nur 29%! Bitte merken Sie sich das – wir werden in diesem und folgenden Artikeln noch darauf zurückkommen.
Warum gehen die Nichtwähler nicht zur Wahl?[34]
Es gibt zwei dominante Gründe – alle anderen sind vergleichsweise weniger wichtig:
Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Wählern populistischer Parteien und den Nichtwählern?
Ja und zwar Beträchtliche!
Vereinfacht gesagt ist bei den Nichtwählern alles ein bisschen extremer als bei den Wählern populistischer Parteien. Die folgende Grafik zeigt die Ergebnisse einer Analyse[35], mithilfe des European Social Survey (Runde 8 – 2016). Die Analyse gilt für Österreich! Die Zuordnung zu Wählern und Nichtwählern sowie zu Wählern populistischer Parteien (FPÖ, Team Stronach, BZÖ) und Sonstigen (SPÖ, ÖVP, Grüne,…) erfolgte aufgrund der Nationalratswahlen 2013.[36]
Die Grafik 23.11 ist so zu lesen:
Das Muster ist eindeutig: Die Sozialstruktur der Nichtwähler und Wähler populistischer Parteien ist sehr ähnlich – bei den Nichtwählern ist alles noch etwas extremer!
Wir fassen die bisherigen Ergebnisse überspitzt – aber treffend - zusammen:
Wer nichts mehr zu verlieren hat[37], wird Nichtwähler - wer noch etwas zu verlieren hat, wählt populistische Parteien!
Wenn Sie diese Aussage zu krass finden, sehen Sie sich einmal folgende Entwicklung an:
Die Zahl derjenigen, die die wirtschaftlichen Verhältnisse als ungerecht empfinden ist dramatisch gewachsen. Dabei ist zu beachten, dass es hier um die Meinung der gesamten Bevölkerung geht – also nicht nur um die Meinung der Nichtwähler oder der Wähler populistischer Parteien!
Die Meinung der Österreicher ist ähnlich: Waren 1990 noch 52% der Bevölkerung der Meinung, dass die Einkommen gerechter = gleicher verteilt werden sollten, so waren es 2008 bereits 83% der Bevölkerung.[39]
Zum Abschluss dieses Artikels stellen wir eine entscheidende Frage:
Ist die Unzufriedenheit der Nichtwähler und der Wähler populisitscher Parteien gerechtfertigt?
Diese Frage ist aus folgenden Gründen wichtig:
Die Ergebnisse die wir gefunden haben, sind überraschend und schockierend!
Einleitung:
Was haben wir ausgewertet:
Die Ergebnisse:
Wirtschaftsentwicklung und Inflation
Fangen wir mit dem letzten Teil zuerst an. Wie hat sich die Wirtschaft in Österreich in den letzten 15 Jahren entwickelt? 2000 hat jeder Erwerbstätige im Schnitt ein BIP von 62.490,- erwirtschaftet. 2015 waren das bereits 91.530,-. Das sind 46% mehr und klingt nicht schlecht. In den letzten 15 Jahren ist die Inflation aber auch um 34% gestiegen und hat daher einen Teil des Wirtschaftswachstums „aufgefressen“. Inflationsbereinigt sind die 91.530,- in 2015 daher nur 68.305,- wert. Das ist zwar immer noch um 9% mehr als die 62.490,- von 2000 aber eben nicht gar so toll. Man sieht in der Grafik 23.13 auch sehr gut, dass sich die österreichische Wirtschaftsleistung nach der Weltwirtschaftskrise 2008 noch nicht vollständig erholt hat. 2007 lag der Anstieg der Wirtschaftsleistung gegenüber 2000 mit 111 schon einmal höher als in 2015 mit 109. Aufgrund dieser Daten könnte man der Ansicht sein, dass es „gerecht“ wäre, wenn die Erwerbstätigen auch um 9% mehr verdienen als im Jahr 2000.
Einkommensentwicklung Angestellte
Sehen wir uns jetzt an, was mit den Einkommen der Angestellten in Österreich passiert ist. 2000 hatte der durchschnittliche Angestellte einen Jahresbruttover-dienst von 22.685,-. 2015 sind daraus 30.396,- geworden – klingt wiederum recht gut, weil dies um 34% mehr sind. Wir wissen von oben aber, dass die Inflation in diesen 15 Jahren ebenfalls um 34% gestiegen ist. Inflationsbereinigt sind die 30.396,- also nur mehr 22.683,- wert. D.h. der durchschnittliche Angestellte kann sich heute genau so viel leisten wie vor 15 Jahren. Von den 9% realem Wachstum (siehe oben) hat er nichts. Deutlich schlechter geht es dem schlechtest verdienenden Viertel und Zehntel der Angestellten. Diese können sich nur mehr 93% bzw. 81% dessen leisten, was sie sich in 2000 leisten konnten. Das heißt sie haben in den letzten 15 Jahren nicht nur nichts vom Wirtschaftswachstum profitiert, sondern sogar verloren.
Einkommensentwicklung Arbeiter
Wirklich dramatisch sieht es bei den Arbeitern aus!
2000 hatte der durchschnittliche Arbeiter einen Jahresbrutto-verdienst von 16.475,-. 2015 sind daraus 19.215,- geworden (plus 17%). Nach Abzug der Inflation sind die aber nur mehr 14.339,- wert. D.h. der durchschnittliche Arbeiter kann sich heute um 13% weniger leisten als im Jahr 2000. Noch dramatischer sieht es beim schlechtest verdienenden Viertel und Zehntel aus. Diese haben 37% bzw. 43% ihres „Wohlstands“ verloren!
Bei den Arbeitern sind 2 Dinge besonders auffällig:
Wir haben Ihnen die Ergebnisse zusätzlich in der folgenden Tabelle zusammengefasst – jede dieser Zahlen können Sie problemlos in den Einkommensberichten nachlesen!
Wir halten diese Ergebnisse für schockierend! Wenn Sie diese Zahlen einfach nicht glauben können/wollen dann haben wir Ihnen hier einen Screenshot von Seite 38 des Einkommensberichts 2016 hereinkopiert:
Was uns wundert!
Es wird viel darüber geschrieben, was man gegen den Aufstieg populistischer Parteien tun könnte - dabei überwiegt Ratlosigkeit. Weder Ignorieren noch Einbinden in Regierungen haben Erfolge gebracht.[48] In den letzten Jahren wird auch das Problem der Nichtwähler stärker beachtet. Hier gibt es ein Fülle von Vorschlägen. Beispielsweise reichen die Vorschläge von mehr direkter Demokratie über Vereinfachung des Wahlrechts, Senkung des Wahlalters bis zu Haustürkampagnen.[49]
Dabei fällt uns auf, dass
- die absolut offenkundige Ungerechtigkeit in der Verteilung des Wohlstands!
Zufall oder Absicht – wir lassen die Antwort offen!
Zusammenfassung:
Future Aid ist der Ansicht, dass in dieser Entwicklung ein enormer politischer Sprengstoff für unsere Zukunft liegt!
Nachwort: Es könnte sein, dass Sie am Klimawandel sehr interessiert sind, aber nicht an politischen Themen, wie sie in diesem und dem vorigen Artikel behandelt wurden. In einem der nächsten Artikel werden wir erklären, warum die wirtschaftliche und politische Situation direkt mit dem Klimawandel zusammenhängt. Darum bitten wir Sie…
Bleiben Sie dran – hören Sie nicht auf zu lesen!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Weiter mit Artikel 24
[1] Siehe den Future Aid Artikel 22.
[2] Dieser Teil des Artikels stützt sich auf die Studie Globalisierungsangst oder Wertekonflikt die von der Bertelsmann Stiftung herausgegeben wurde. Die Studie ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: 1. Sehr seriös, weil die Methode und die Fragen genau erklärt werden. 2. Sie umfasst ganz Europa und nicht nur ein Land. 3. Neun Staaten werden detailliert analysiert. Wir wissen, dass es sehr unterschiedliche populistische Parteien gibt. Erst wenn neun Länder mit derselben Methode untersucht werden, kann man Unterschiede und Gemeinsamkeiten feststellen. 4. Da sie aus dem Jahr 2016 ist, ist sie sehr aktuell.
[3] In Anlehnung an Globalisierungsangst oder Wertekonflikt S. 3, 7-8
[4] Wir sind mit diesen Begriffen nicht ganz glücklich, sie sind aber die Begriffe die die Wissenschaft für die Werteorientierung der Menschen verwendet. Die Beschreibung der beiden Typen ist in Anlehnung an Globalisierungsangst oder Wertekonflikt S. 7. Hier ist wichtig zu betonen, dass diese Einteilung in keiner Weise eine Bewertung in „Gut“ und „Schlecht“ darstellt.
[5] In Anlehnung an Globalisierungsangst oder Wertekonflikt S. 11-12.
[6] Die Zuordnung der Menschen zu den Typen erfolgt durch repräsentative Befragung. Befragt wurden Menschen aus allen 28 Ländern der EU. Die Befragung wird genau erläutert in Globalisierungsangst oder Wertekonflikt S. 11-12. Um die folgenden Grafiken übersichtlich zu halten, haben wir bei angsterfüllt und zuversichtlich den Mittelwert aus den Antworten „Globalisierung als Bedrohung“ und „wirtschaftlich verunsichert“ gebildet. Die grundsätzlichen Ergebnisse verändern sich durch diese Vereinfachung aber nicht.
[7] Werte aus Globalisierungsangst oder Wertekonflikt S. 13 und eigene Berechnungen.
[8] Zwischen den europäischen Ländern gibt es naturgemäß Unterschiede: Die meisten Traditionalisten haben mit 55% Frankreich, Großbritannien und Polen. Die wenigsten Traditionalisten haben Österreich, Ungarn und Deutschland mit 38% bzw. 39%. Die meisten Angsterfüllten haben Frankreich (53%) und Österreich (46%). Die wenigsten Angsterfüllten haben Großbritannien (31%) und die Niederlande (33%).
[9] Um die Grafik übersichtlich zu halten, haben wir nur die Werte für die Traditionalisten dargestellt. Die Werte für die Progressiven sind einfach die Differenz auf 100. Beispiel: Von der Arbeiterschicht sind 51% den Traditionalisten zuzuordnen. Dann sind 49% den Progressiven zuzuordnen. Die Differenz zwischen den Bevölkerungsgruppen haben wir als D (Delta) ausgewiesen.
[10] Werte aus Globalisierungsangst oder Wertekonflikt S. 14-16 und eigene Berechnungen.
[11] Werte aus Globalisierungsangst oder Wertekonflikt S. 14-16 und eigene Berechnungen.
[12] Werte aus Globalisierungsangst oder Wertekonflikt S. 20ff. In der Studie wurden 9 Länder untersucht. Neben Österreich, Deutschland, Niederlande, Italien, Frankreich die wir hier darstellen noch Ungarn, Polen, UK, Spanien. Hier sind nur die Werte der rechtspopulistischen Parteien dargestellt. Das Ergebnis, dass diese Wähler angsterfüllter sind, gilt aber genauso für die Wähler linkspopulistischer Parteien dieser Länder. Die Wähler linkspopulistischer Parteien sind lediglich eher Progressive als Traditionalisten.
[13] Werte aus Globalisierungsangst oder Wertekonflikt S. 18
[14] Daten aus Wahltagsbefragung und Wählerstromanalyse 2017 Folie 11f. Zum Verständnis: Wenn 26% der Wähler die FPÖ wählen, dann würden bei einer gleichen Verteilung auch 26% der Arbeiter und 26% der Angestellten und 26% der Selbstständigen und so weiter FPÖ wählen. Wenn aber deutlich mehr als 26% der Arbeiter FPÖ wählen (konkret 59%!) dann haben natürlich die anderen Parteien verhältnismäßig weniger Arbeiter als Wähler als ihrem Stimmenanteil entsprechen würde. Wenn die Arbeiter an den Wählern der FPÖ einen höheren Anteil haben, dann müssen alle oder einige andere Berufsgruppen einen geringeren Anteil haben. Dies gilt auch für alle weiteren Vergleiche.
[15] Daten aus Wahltagsbefragung und Wählerstromanalyse 2017 Folie 14-18.
[16] Eine sehr gute Studie zu den Nichtwählern ist Soziodemografisches Profil der Nichtwähler von der Friedrich-Ebert-Stiftung. In dieser Studie werden die Ergebnisse der Forschung zusammengetragen. Siehe S. 5
[17] Siehe dazu auch die Studie Gespaltene Demokratie der Bertelsmann Stiftung.
[18] Siehe Soziodemografisches Profil der Nichtwähler S. 5
[19] Dies konnte mit dem European Social Survey nachgewiesen werden. Der European Social Survey (ESS) ist eine sozialwissenschaftliche Studie, die seit 2002 alle zwei Jahre Meinungen zu sozialen und politischen Themen aus über 30 europäischen Ländern erfragt. Auch aufgrund seiner hohen methodischen Standards ist der ESS in Forschung und Lehre die meist genutzte Studie für vergleichende Analysen in Europa. Die Website: European Social Survey. Einen Ländervergleich finden Sie unter: Soziodemografisches Profil der Nichtwähler S. 7
[20] Siehe Soziodemografisches Profil der Nichtwähler S. 8ff. Siehe dazu auch die Studie Prekäre Wahlen.
[21] Siehe Soziodemografisches Profil der Nichtwähler S. 8
[22] Präziser gesagt: Das Haushaltseinkommen.
[23] Siehe Soziodemografisches Profil der Nichtwähler S. 10f
[24] Siehe Soziodemografisches Profil der Nichtwähler S. 11
[25] Siehe Soziodemografisches Profil der Nichtwähler S. 11f
[26] Siehe Soziodemografisches Profil der Nichtwähler S. 12
[27] Siehe Soziodemografisches Profil der Nichtwähler S. 12
[28] Siehe Soziodemografisches Profil der Nichtwähler S. 13
[29] Dieser Abschnitt des Artikels stützt sich hauptsächlich auf die sehr gute Studie Nichtwähler in Deutschland der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Studie bezieht sich nur auf Deutschland. Wir dürfen aber davon ausgehen, dass die Situation in Österreich nicht grundsätzlich anders ist.
[30] In Anlehnung an: Nichtwähler in Deutschland S. 17
[31] In Anlehnung an: Nichtwähler in Deutschland S. 21ff
[32] Zu den Daten der folgenden zwei Absätze siehe: Nichtwähler in Deutschland S. 39ff und S. 46ff
[33] Siehe Nichtwähler in Deutschland S. 62ff
[34] Siehe Nichtwähler in Deutschland S. 72ff
[35] Der European Social Survey ermöglicht enorm viele Auswertungen und ist daher eine der wichtigsten Datenquellen für soziologische und politikwissenschaftliche Forschung. Die Auswertungen kann jeder selbst – mit einiger Übung – online durchführen. Dies ist der Link zum ESS-Zugang zum Analysetool.
[36] Die Wahl 2017 konnte natürlich in die Befragung 2016 noch nicht einfließen.
[37] …und auch schon die Hoffnung verloren hat, dass sich etwas bessert…
[38] Wir können davon ausgehen, dass die Meinung der Österreicher nicht so unterschiedlich ist, im Vergleich zu den Deutschen, weil die Einkommensverteilung und Vermögensverteilung in beiden Ländern ähnlich ist.
[39] Die Werte sind das Ergebnis einer Analyse der Daten der European Value Study. Dies ist eine alle acht Jahre stattfindende große repräsentative Erhebung der Werte der Menschen in allen europäischen Ländern. Ähnlich wie beim European Social Survey sind die Daten frei zugänglich und können von jedem selbst ausgewertet werden.
[40] Hier der Link zum letzten Einkommensbericht: Einkommensbericht 2016 (für die Jahre 2014 und 2015). Die Einkommensberichte sind sogar ein eigener Menüpunkt auf der Website des Rechnungshofes: Einkommensberichte. Auch auf der Website der Statistik Austria sind die Einkommensberichte ein eigener Menüpunkt: Einkommensberichte (Statistik Austria)
[41] Die Lehrlinge betrachten wir nicht weil sie in Ausbildung sind und die Lehrlingsentschädigung nicht sinnvoll mit normalen Einkommen verglichen werden können.
[42] Prozentwerte für 2015.
[43] Der Durchschnitt ist dabei der sogenannte Median: Es ist jenes Einkommen bei dem die Hälfte der Arbeiter oder Angestellten weniger verdient als das und die Hälfte mehr verdient als das. Das unterste Viertel nennt man Quartil: Es ist jenes Einkommen bei dem ¼ der Arbeiter oder Angestellten weniger verdient als das und ¾ mehr verdienen als das. Das unterste Zehntel nennt man Dezil: Es ist jenes Einkommen bei dem 1/10 der Arbeiter oder Angestellten weniger verdient als das und 9/10 mehr verdienen als das.
[44] Häufig wird das BIP je Einwohner angegeben. Das macht aber in unserem Fall wenig Sinn, weil es z.B. auch alle Kinder und Pensionisten berücksichtigt und wir hier nur Erwerbstätige betrachten.
[45] Folgende Kritiken können gegen diese Zahlen vorgebracht werden: 1.) Durch die zunehmende Zahl von Teilzeitbeschäftigten sinkt der Durchschnittsverdienst insbesondere beim untersten Viertel und Zehntel. Das Argument ist richtig, aber wir wissen, dass viele nicht freiwillig Teilzeit arbeiten, sondern weil sie leider keine Vollzeitstelle bekommen. 2.) Die Geringverdiener zahlen auch weniger Lohnsteuer – es bleibt ihnen mehr Netto vom Brutto, weil der Staat Umverteilung betreibt. Das Argument ist richtig, aber der Effekt ändert das Bild nicht grundsätzlich, sondern schwächt es nur ab. Wir hätten das auch gerne nachgewiesen, aber der Einkommensbericht bietet dafür nicht ausreichend detaillierte Daten. Wie relativ gering der Brutto-/Nettoeffekt ist, ist im Einkommensbericht 2016 auf S. 33 ersichtlich.
[46] Ein Grund für das viel schlechtere Bild bei den Arbeitern besteht auch darin, dass diese häufiger den Job verlieren und dies die Jahreseinkommen reduziert.
[47] Die %-Werte bei 2015 weichen von unseren etwas ab 1.) weil wir das Jahr 2000 als Basis genommen haben und im Einkommensbericht die Basis 1998 ist und 2.) im Einkommensbericht in dieser Tabelle die Angestellten inklusive Vertragsbedienstete dargestellt werden und wir nur die Angestellten darstellen.
[48] Siehe z.B. die ansonsten sehr gute Studie: Strategien gegen die radikale Rechte in Europa S. 14ff
[49] Siehe z.B. Soziodemographisches Profil der Nichtwähler S. 16
© Peter Jöchle 2018