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Artikel 30.1 – Wie funktioniert die EU?

30.1 - Wie funktioniert die EU.pdf
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Herzlich willkommen! Wir freuen uns sehr, dass Sie da sind!

 

Einleitung

 

Im ersten Teil der Artikelserie wollen wir Ihnen erläutern, wie die EU funktioniert! Das Wissen über die EU ist bei vielen Menschen gering. Mit diesem Artikel wollen wir dazu beitragen, dass sich das ändert. Der erste Artikel ist vielleicht etwas „trocken“. Wir hoffen aber trotzdem, dass für jede Leserin und jeden Leser neue Gesichtspunkte dabei sind.

 

In diesem Artikel beantworten wir folgende Fragen:

  • Was ist die EU?
  • Aus welchen Institutionen (Einrichtungen) besteht die EU?
  • Was darf die EU und was darf sie nicht?
  • Welche „Vorschriften“ kann die EU machen?
  • Das EU-Parlament – und seine Besonderheiten
  • Wie kommen in der EU Gesetze zustande?
  • Warum braucht man überhaupt gemeinsame Regeln?
  • Welche Mitsprache haben die Bürger in der EU?
  • Verlieren wir Einfluss, wenn wir Kompetenzen (Rechte) an die EU abgeben?

 

Was ist die EU?[1]

  • Die Europäische Union ist ein Zusammenschluss von derzeit (noch) 28 Mitgliedsstaaten.
Grafik 30.1.1 - Mitgliedsstaaten der EU[2]
  • Insgesamt hat die EU mehr als 500 Millionen Einwohner und ist der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Erde.
  • Die EU ist eine Mischung aus einem zwischenstaatlichen[3] und einem überstaatlichen[4] Staatenverbund.
  • In ihrer Struktur ist die EU derzeit einzigartig. Es gibt keine andere so enge Zusammenarbeit verschiedener Nationalstaaten, wie es in der EU der Fall ist.

 

Die Anfänge der EU gehen auf die 1950er Jahre mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) zurück. Die Grundgedanken dafür waren, durch engere wirtschaftliche Zusammenarbeit militärische Konflikte in der Zukunft zu verhindern und durch gemeinsames Wirtschaftswachstum den Wohlstand zu steigern. Die EU ist somit ein Friedensprojekt, welches Lehren aus zwei Weltkriegen gezogen hat. Tatsache ist, dass es seit dem europäischen Integrationsprozess keinen Krieg mehr zwischen den Mitgliedsstaaten gab. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde die Europäische Union 1992 gegründet. Die EU galt als „Dachorganisation“, die die Zusammenarbeit förderte, aber sie besaß keine eigene „Rechtspersönlichkeit“[5]. Dies änderte sich 2009 mit dem Vertrag von Lissabon. Seitdem hat die EU eine eigene Rechtspersönlichkeit und kann internationale Verträge und Abkommen unterzeichnen. Der Vertrag von Lissabon hat auch die Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt.

 

Aus welchen Institutionen (Einrichtungen) besteht die EU?

 

In demokratischen Staaten herrscht eine Gewaltenteilung zwischen der

  • Regierung (Exekutive) – führt die Staatsgeschäfte, leitet die Ministerien und damit die Verwaltung
  • Parlament (Legislative) – beschließt die Gesetze
  • Justiz (Judikative) – Rechtssprechung und Gerichtswesen.

 

In der EU werden diese Aufgaben von verschiedenen Institutionen wahrgenommen!

 

Europäischer Rat[6]

Grafik 30.1.2 - Europäischer Rat[7]
  • „Gipfeltreffen“ – 4 mal im Jahr - der Staats- und Regierungschefs unter Vorsitz des Präsidenten des Europäischen Rates
  • Mitglieder: Staats- und Regierungschefs der EU-Länder, Präsident der Europäischen Kommission, Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik
  • Vorsitz: Donald Tusk
  • Standort: Brüssel, Belgien
  • Internet: Europäischer Rat

Was tut der Europäische Rat?

  • entscheidet über die allgemeine Ausrichtung der EU-Politik und ihre Prioritäten – ohne für die Gesetzgebung zuständig zu sein
  • befasst sich mit komplexen oder sensiblen Themen, die auf einer niedrigeren Ebene (Staaten, Rat der EU) nicht geklärt werden können,
  • legt die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU fest
  • ernennt und bestimmt Kandidaten für bestimmte wichtige Positionen auf EU-Ebene, zum Beispiel die Europäische Zentralbank oder die Kommission.

 

Zu jedem Thema kann der Europäische Rat

  • die Europäische Kommission ersuchen, einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten oder
  • die Angelegenheit an die Fachminister der EU-Länder im Rat der EU weiterleiten.

 

Europäische Kommission[8]

Grafik 30.1.3 - Europäische Kommission[9]
  • Die „Regierung“ der EU
  • Mitglieder: Ein Team, „Kollegium“ genannt, 28 KommissarInnen – eine/r aus jedem EU-Land
  • Präsident: Jean-Claude Juncker
  • Standort: Brüssel, Belgien
  • Internet: Europäische Kommission

 

Was tut die Europäische Kommission?

  • Vorschläge für neue Rechtsvorschriften Die Kommission ist die einzige EU-Institution, die dem Parlament und dem Rat der EU Gesetzesvorschläge vorlegen kann.
  • Durchführung der EU-Strategien
  • Vergabe von Finanzmitteln und Überwachung gemeinsam mit dem Europäischen Rechnungshof.
  • Durchsetzung des EU-Rechts. Gemeinsam mit dem Europäischen Gerichtshof wacht die Kommission über die ordnungsgemäße Anwendung des EU-Rechts in allen Mitgliedstaaten.
  • Vertretung der EU auf internationaler Ebene. Die EU-Kommission spricht in internationalen Organisationen für alle EU-Länder. Sie handelt außerdem im Namen der EU internationale Verträge aus.

 

Rat der Europäischen Union[10]

Grafik 30.1.4 - Rat der Europäischen Union[11]
  • „Stimme der Regierungen“ von EU-Mitgliedsländern, die Gesetze annehmen und die EU-Politik koordinieren.
  • Mitglieder: Minister aus jedem EU-Land, je nach behandeltem Politikbereich
  • Vorsitz: Jedes EU-Land übernimmt wechselweise den Ratsvorsitz für sechs Monate.
  • Sitz: Brüssel, Belgien
  • Internet: Rat der Europäischen Union

 

Was tut der Rat der Europäischen Union?

  • Abstimmung und Verabschiedung von EU-Rechtsvorschriften gemeinsam mit dem Europäischen Parlament auf Grundlage von Vorschlägen der Europäischen Kommission.
  • Koordinierung der politischen Maßnahmen der EU-Länder.
  • Entwicklung der Außen- und Sicherheitspolitik der EU auf Grundlage von Leitlinien des Europäischen Rates.
  • Abschluss internationaler Übereinkünfte zwischen der EU und anderen Staaten oder internationalen Organisationen.
  • Genehmigung des Haushaltsplans der EU gemeinsam mit dem Europäischen Parlament.

 

Europäisches Palament[12]

Grafik 30.1.5 - Europäisches Parlament[13]
  • Direkt gewählte EU-Institution mit Zuständigkeit für Gesetzgebung, Aufsicht und Haushalt.
  • Mitglieder: 751 Abgeordnete
  • Präsident: Antonio Tajani
  • Standort: Straßburg (Frankreich), Brüssel (Belgien), Luxemburg
  • Internet: Europäisches Parlament

 

Was tut das Europäische Parlament?

 

Gesetzgebung

  • Verabschiedung von EU-Rechtsvorschriften, in Zusammenarbeit mit dem Rat der EU auf der Grundlage von Vorschlägen der Europäischen Kommission.
  • Entscheidung über internationale Abkommen
  • Entscheidung über Erweiterungen
  • Prüfung des Arbeitsprogramms der Kommission und Aufforderung der Kommission, Rechtsvorschriften vorzuschlagen

 

Aufsicht

  • Demokratische Kontrolle aller EU-Organe
  • Wahl der Präsidentin/des Präsidenten der EU-Kommission und Zustimmung zur Kommission als Kollegium. Möglichkeit, einen Misstrauensantrag zu stellen, der die gesamte Kommission zum Rücktritt zwingen könnte.
  • Entlastung, d. h. Genehmigung der Ausgaben aus dem EU-Haushalt.
  • Bearbeitung von Petitionen der EU-Bürgerinnen und -Bürger und Einsetzen von Untersuchungsausschüssen.
  • Erörterung der Währungspolitik mit der Europäischen Zentralbank
  • Befragung von Kommission und Rat
  • Wahlbeobachtung

 

Haushalt

  • Aufstellung des Haushaltsplans der EU gemeinsam mit dem Rat.
  • Genehmigung des langfristigen EU-Haushalts, des so genannten „mehrjährigen Finanzrahmens“.

 

Weitere EU-Institutionen:[14]

 

  • Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)
  • Europäische Zentralbank (EZB)
  • Europäischer Rechnungshof

 

Zwischenstatus:

 

Viele glauben das Europäische Parlament hat ohnehin keine Macht und keine Bedeutung. Seit 2009 – Vertrag von Lissabon – stimmt das aber nicht mehr.

 

Grundsätzlich gilt:

  • Kein EU-Gesetz ohne die Zustimmung des Parlaments
  • Kein internationales Abkommen ohne Zustimmung des Parlaments
  • Keine EU-Erweiterung ohne Zustimmung des Parlaments
  • Kein EU-Kommissionspräsident und keine EU-Kommission ohne die Zustimmung des Parlaments

 

Im ersten Teil des Artikels haben wir Ihnen die wichtigsten EU-Institutionen vorgestellt. Nun sehen wir uns das EU-Parlament näher an, weil ja dieses am 26. Mai 2019 neu gewählt wird.

 

Was darf die EU und was darf sie nicht?

 

Manche Menschen haben den Eindruck, dass sich die EU in alles einmischt. Das ist aber nicht richtig!

  • Die EU hat zwar eigene Souveränitätsrechte, sie kann aber nur in den Bereichen tätig werden, welche in den Gründungsverträgen genannt sind. Das bedeutet, die EU kann nicht eigenständig über ihre Zuständigkeiten entscheiden. Allgemein gilt: Alle Zuständigkeiten, die nicht in den EU-Verträgen genannt sind, bleiben bei den Mitgliedsstaaten.
  • In der EU gilt das Subsidiaritätsprinzip. Allgemein besagt dieses Prinzip, dass Entscheidungen möglichst dezentral und so bürgernah wie möglich zu treffen sind. Die EU wird nur dann aktiv, wenn die Mitgliedsstaaten dazu nicht imstande sind  oder die EU effizienter handeln kann als die Mitgliedsstaaten.
  • Es gibt 3 Kriterien, wann die EU eingreifen darf:
    • Es gibt es grenzüberschreitende Aspekte.
    • Eine nationale Maßnahme würde im Widerspruch zu den EU-Verträgen stehen.
    • Eine Maßnahme auf EU Ebene hat offensichtliche Vorteile.

Wenn sich Regierungen oder Bürger darüber beschweren, dass sich die EU „einmischt“, haben sie offensichtlich „vergessen“ dass der eigene Staat diesen Regeln – durch die EU-Verträge – zugestimmt hat!

 

Welche „Vorschriften“ kann die EU machen?

  • Verordnungen sind Gesetze, welche in allen EU-Ländern im vollen Umfang umgesetzt werden müssen. Diese gelten gleichermaßen für alle Mitgliedsstaaten und müssen nicht in eigene Gesetze der Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Beispiel: Gemeinsame Schutzmaßnahmen für Importe in die EU.
  • Richtlinien sind Gesetze, mit welchen die EU den Mitgliedssaaten Ziele vorgibt. Es bleibt jedoch die Angelegenheit der Länder, eigene Gesetze für die Erreichung dieser Ziele zu erlassen. Das heißt, es bleibt dem einzelnen Staat überlassen, wie er diese Ziele erfüllt. Beispiel: EU-Richtlinie über Verbraucherrechte.
  • Beschlüsse sind an einzelne EU-Länder oder Unternehmen gerichtete spezielle Entscheidungen und sind für diese verbindlich.
  • Empfehlungen sind nicht verbindlich und haben keine rechtlichen Folgen. Diese können befolgt werden, müssen es aber nicht.
  • Stellungnahmen sind unverbindliche Äußerungen von EU-Institutionen zu gewissen Sachver-halten.

 

Das EU-Parlament

 

Das Europäische Parlament wird bei den Europawahlen alle 5 Jahre direkt von den Bürgern gewählt. Es besteht derzeit aus 751 Abgeordneten.[15]

 

Jeder Mitgliedsstaat hat eine gewisse Anzahl an Abgeordneten, welche er entsendet. Länder mit größerer Bevölkerung stellen dabei mehr Abgeordnete als kleinere Länder. Allerdings erhalten kleinere Länder relativ zur Bevölkerung mehr Abgeordnete als größere. Ein Beispiel[16]: Deutschland hat mit 82,8 Mio. Einwohnern ca. 9 mal mehr Einwohner als Österreich mit 8,8 Mio. Einwohnern. Deutschland hat aber mit 96 EU-Abgeordneten nur ca. 5 mal mehr Abgeordnete als Österreich mit 18 Abgeordneten.

Üblicherweise stellen die jeweiligen nationalen Parteien die Kandidaten für die EU-Wahl auf. Die Europawahlen werden zur gleichen Zeit in allen EU-Staaten abgehalten und die Parlamentarier werden von ihren jeweiligen Staaten danach ins EU-Parlament entsandt.

 

Anzahl der Abgeordneten im EU-Parlament von den österreichischen Parteien und welcher Fraktion sie im EU-Parlament angehören:

  • Partei:             Abgeordnete:       Fraktion:
  • ÖVP                 5                             EVP
  • SPÖ                 5                             S&D
  • FPÖ                 4                             ENF
  • Grüne              3                             Grüne/EFA
  • NEOS              1                             ALDE

Summe          18

 

Im Europäischen Parlament schließen sich die Abgeordneten von nationalen Parteien mit ähnlichen Interessen zu Fraktionen zusammen.

Grafik 30.1.6 - Die Fraktionen im EU-Parlament und die österreichischen Abgeordneten

In obiger Grafik sieht man welche Fraktion, wie viele Abgeordnete im EU-Parlament hat und welcher Fraktion die österreichischen Abgeordneten angehören.

 

Besonderheiten des EU-Parlaments

 

Aus unseren nationalen Parlamenten kennen wir Folgendes:

  • Die Abgeordneten der Regierungsparteien stimmen immer so ab, wie ihre Parteien das wollen (Fraktionszwang). Die Abgeordneten müssen daher für Gesetze stimmen, auch wenn sie persönlich dagegen sind.
  • Weil das so ist, werden die Gesetzesvorschläge der Regierung im Parlament immer verabschiedet – sie ist ja die Regierung, weil sie die Mehrheit im Parlament hat. Die Opposition kann daher Gesetze – außer Verfassungsgesetze – nicht verhindern.
  • Im nationalen Parlament gibt es daher immer das „Schauspiel“ Regierung gegen Opposition.

 

Im EU-Parlament ist dies wesentlich anders:

  • Zunächst gibt es keine Regierung, die sich nur aus bestimmten Parteien zusammensetzt. Die „Regierung“ der EU ist die Kommission und die KommissarInnen kommen aus jedem Mitgliedsland und aus verschiedenen Parteien.
  • Die Kommission schlägt daher Gesetze vor, die sie für notwendig erachtet und nicht weil eine bestimmte Partei diese Gesetze will.
  • Im EU-Parlament gibt es auch keinen Fraktionszwang. Auch wenn sich die nationalen Parteien als Fraktionen zusammenschließen, muss das nicht bedeuten, dass stets alle Mitglieder einer Fraktion aus verschiedenen Ländern gleich abstimmen. Das bedeutet z.B., dass die ÖVP-Abgeordneten eine andere Meinung haben können, als die Abgeordneten aus anderen Ländern in der EVP-Fraktion.
  • Im EU-Parlament gibt es daher – im Gegensatz zu nationalen Parlamenten - häufig wechselnde Mehrheiten zwischen verschiedenen Fraktionen.
  • Die beiden größten Fraktionen – die EVP und die S&D – haben zusammen bisher immer mehr als 50% der Stimmen. Da diese beiden Parteien praktisch für eine Mehrheit notwendig sind, werden meistens Kompromisslösung zwischen den beiden großen Parteien gesucht die alle Interessen berücksichtigen.

 

Zwischenstatus:

 

Die EU und das EU-Parlament ist in gewisser Weise viel „demokratischer“ als nationale Parlamente:[17]

  • Es gibt keine Regierung die nur die Interessen der eigenen Partei(en) verfolgt.
  • Mehrheiten müssen bei jedem Gesetz neu gefunden werden – sie sind nicht nach einer Wahl für die nächsten 4-5 Jahre fix wie bei nationalen Parlamenten.
  • Sachliche Argumente sind wichtiger als Parteiinteressen, weil sich je nach Sachthema unterschiedliche Mehrheiten ergeben können.

 

Wie kommen in der EU Gesetze zustande?[18]

  • Das Gesetzgebungsverfahren ist kompliziert – in unten stehender Grafik ist es einfacher dargestellt!
  • Die Kommisson hat das Initiativrecht – d.h. sie beschließt, welchen Gesetzesvorschlag sie macht.
  • Dieser wird im EU-Parlament beraten, eventuell abgeändert und danach darüber abgestimmt (1. Lesung).
  • Der Vorschlag  wird im Rat der EU beraten, eventuell abgeändert und danach darüber abgestimmt (1. Lesung).
  • Wenn beide Institutionen zugestimmt haben, ist das Gesetz angenommen.
  • Wenn der Rat der EU nicht zustimmt, geht der Vorschlag – mit Änderungen – zurück ans EU-Parlament. Dieses berät und stimmt ab (2. Lesung).
  • Danach geht es an den Rat der EU zurück, der berät und abstimmt (2. Lesung).[19]
  • Wenn keine Einigung zustand kommt, versucht die EU-Kommission zu vermitteln - Trilog-Verhandlungen.
  • Wenn man sich nicht einigt, ist der Vorschlag endgültig abgelehnt. Wenn man sich einigt, geht der Vorschlag zur 3. Lesung ans EU-Parlament und an den Rat der EU.
  • Wenn beide zustimmen, wird der Vorschlag zum Gesetz. Wenn nur eine der Institutionen ablehnt, ist der Vorschlag endgültig abgelehnt.
Grafik 30.1.7 - Wie kommen EU-Gesetze zustande?

Warum braucht man überhaupt gemeinsame Regeln?

  • Ein Zusammenschluss von Staaten kann mehr erreichen als einzelne Staaten. Dann muss aber vermieden werden, dass Staaten Alleingänge machen und gemeinsame Entscheidungen der EU unterwandern. Beispiel: Russlandsanktionen, Zollverhandlungen mit den USA.
  • Es muss eine Institution geben, die die Einhaltung der Verträge prüft und bei Verstößen einschreitet. Die EU-Kommission ist die „Hüterin der Verträge“. Beispiel: Schwächung des Justizsystems in Polen.
  • Gemeinsamer Handel, Binnenmarkt und eine Wirtschaftsunion sind nur möglich, wenn es Regeln gibt, die für alle Mitglieder gelten. Beispiel: Gemeinsames Vorgehen gegen Steuerhinterziehung und Korruption.
  • Gesetze und Regeln einzelner Staaten dürfen nicht zu weit voneinander abweichen. Stellen Sie sich vor, in einem EU-Staat kommt es zu regelmäßigen und massiven Menschenrechtsverletzungen. Dann würden viele Menschen in einem solchen Land nicht leben wollen und könnten aber aufgrund der Personenfreizügigkeit in andere EU-Staaten auswandern. Beispiel: Teilweise bei Bulgarien und Rumänien der Fall.
  • Nach dem Subsidiaritätsprinzip – siehe oben – macht eine Arbeitsteilung Sinn. Manches sollte auf europäischer Ebene geregelt werden, manches auf staatlicher Ebene und manches auf Gemeindeebene. Es muss aber klar geregelt sein, wer wofür zuständig ist. Beispiel: Das Ganze kann man sich ähnlich, wie das  Föderalismusprinzip in Österreich oder Deutschland vorstellen.
  • Nationale Regierungen wechseln häufig und in einigen Staaten kommt es immer wieder zu Regierungskrisen (Belgien, Italien, etc.). Die EU-Institutionen sind im Vergleich dazu durch Verlässlichkeit und Stabilität gekennzeichnet.

Welche Mitsprache haben die Bürger in der EU?[20]

 

Viele Menschen glauben, dass sie als EU-Bürger keine Mitsprache haben. Dieses Vorurteil wird von EU-kritischen Parteien gerne geschürt. Es stimmt nur nicht.

Grafik 30.1.8 - Welche EU-Institutionen werden durch EU-Bürger mitbestimmt?[21]
  • Die folgende Aufzählung zeigt, dass die EU-Bürger direkt oder indirekt nahezu alle EU-Institutionen mitbestimmen. Das zeigt auch, welche Bedeutung gute Wahlentscheidungen der EU-Bürger haben.
  • Die EU-Bürger wählen das EU-Parlament und ihre nationalen Regierungen direkt.
  • Die von den EU-Bürgern gewählten nationalen Regierungen bilden den EU-Rat und den Rat der EU.
  • Die von EU-Bürgern gewählten nationalen Regierungen entsenden Mitglieder in den Europäischen Gerichtshof, in die Europäische Zentralbank und in den Ausschuss der Regionen.
  • Das von den EU-Bürgern direkt gewählte EU-Parlament hat die Letztentscheidung über den Kommissionspräsidenten und die Kommission sowie ein Mitspracherecht über die Mitglieder des Europäischen Rechnungshofes.
  • Das EU-Parlament wählt den europäischen Bürgeranwalt, an den sich jeder EU-Bürger wenden kann.
  • Wir haben oben bereits erläutert, dass das „Schauspiel“ des ständigen Kampfes Regierung gegen Opposition – den wir auf staatlicher Ebene nur zu gut kennen – auf der EU-Ebene wegfällt, weil es keine von Parteien gebildete Regierung gibt. Das führt dazu, dass Diskussionen im EU-Parlament in der Regel viel sachlicher ablaufen, als in nationalen Parlamenten und Entscheidungen weniger nach Parteiinteressen getroffen werden.
  • Da es im EU-Parlament keinen Fraktionszwang gibt, können sich viel leichter unterschiedliche Mehrheiten bilden und der Rat der EU und die EU-Kommission müssen viel kompromissbereiter sein als nationale Regierungen, wenn sie wollen, dass das EU-Parlament Gesetzen zustimmt.

 

Verlieren wir Einfluss, wenn wir Kompetenzen (Rechte) an die EU abgeben?

 

Ja und Nein!

 

Einerseits:

Wenn ein Staat der EU beitritt, gibt er bestimmte Rechte an die EU ab. Das heißt, der Staat kann in diesen Themen nicht mehr allein entscheiden wie bisher.

 

Andererseits:

Weltweit haben sich große Machtblöcke gebildet

  • die entweder autoritär oder diktatorisch geführt werden – Russland, China
  • oder anderen Staaten unberechenbar und feind-selig gegenüberstehen – USA
  • oder große Wirtschaftsmacht haben – Indien, Brasilien.

 

Ein kleiner Staat wie Österreich hat diesen Machtblöcken nichts entgegenzusetzen. Für solch große Wirtschaftsblöcke würde es sich gar nicht auszahlen, mit kleinen Staaten einzeln Handelsverträge zu schließen.

 

Durch den Zusammenschluss von Staaten - wie bei der EU - bekommen insbesondere kleinere Staaten - durch die EU - eine Macht und Möglichkeiten die sie allein nie hätten!

 

Bleiben Sie dran – hören Sie nicht auf zu lesen!

 

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

 

© Baris Ertugrul/Peter Jöchle 2019

[1] Umfangreiche Informationen über die EU finden Sie in Wikipedia: Europäische Union

[2] Quelle: By Kolja21 - Own work, CC BY 3.0, https://commons .wikimedia.org/w/index.php?curid=26292616 

[3] Unter zwischenstaatlich versteht man die Zusammenarbeit zwischen Staaten innerhalb einer internationalen Organi-sation (z.B. Vereinte Nationen, EU). Das heißt, die Entschei-dungskompetenz verbleibt allein bei den Staaten (was ins-besondere ein Einstimmigkeitsprinzip bedingt). Siehe Wikipedia: Intergouvernementalismus

[4] Unter überstaatlich versteht man eine Verlagerung rechtlicher Zuständigkeiten von der nationalstaatlichen auf eine höher stehende Ebene, die auch als überstaatliche Organisation bezeichnet wird. Eine solche Ebene oder Orga-nisation (z.B. EU) kann auch dann verbindliche Beschlüsse fassen, wenn nicht alle Mitglieder zustimmen. Siehe Wikipedia: Supranationalität

[5] Eine Rechtspersönlichkeit ist jemand oder etwas was Rechte und Pflichten haben kann und rechtliche Hand-lungen setzen kann (z.B. einen Vertrag abschließen kann). Rechtspersonen sind einerseits alle Natürlichen Personen – also Menschen. Andererseits auch die Juristischen Perso-nen – Firmen, Vereine (wie Future Aid), Stiftungen und Körperschaften öffentlichen Rechts (z.B. Gemeinden, Bundesländer und Staaten). Seit die EU Rechtspersönlichkeit hat, kann sie selbst Verträge abschließen und Gesetze in ihrem Bereiche erlassen. Siehe dazu auch: Wikipedia - Rechtssubjekt

[6] Quelle: Website der EU - Europäischer Rat

[7] Quelle: Wikipedia - Logo Europäischer Rat und eigene Bearbeitung.

[8] Quelle: Website der EU - Europäische Kommission

[9] Quelle: Wikipedia - Logo Europäische Kommission und eigene Bearbeitung

[10] Quelle: Website der EU - Rat der Europäischen Union

[11] Quelle: Wikipedia - Logo Rat der Europäischen Union und eigene Bearbeitung

[12] Quelle: Website der EU - Europäisches Parlament

[13] Quelle: Wikipedia - Logo Europäisches Parlament und eigene Bearbeitung

[14] Wir zählen oben nur die Bekanntesten auf. Es gibt aber noch eine Reihe anderer wichtiger Institutionen: Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD); Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA); Europäischer Ausschuss der Regionen (AdR); Europäische Investitionsbank (EIB); Europäischer Bürgerbeauftragter; Europäischer Datenschutzbeauftragter (EDSB). Quelle: Website der EU - EU-Institutionen und -Einrichtungen

[15] Wenn Großbritannien ausscheidet (Brexit), dann besteht es nur mehr aus 705 Abgeordneten.

[16] Quelle: Eurostat - Anzahl Einwohner; Wikipedia - Anzahl Abgeordnete

[17] Die Suche nach Mehrheiten und Kompromissen bedeutet aber auch, dass es lange dauern kann bis ein Gesetz verabschiedet wird – dies ist der Preis dafür um danach eine Lösung zu haben, mit der alle leben können.​

[18] Das EU-Parlament hat eine sehr gute interaktive Grafik, die im Detail das Verfahren darstellt: Das EU-Gesetzgebungsverfahren

[19] Die große Mehrheit der Gesetze wird zu diesem Zeitpunkt verabschiedet. Quelle: Das EU-Gesetzgebungsverfahren.

[20] Wenn wir hier Vorurteile gegen die EU als falsch darstellen, bedeutet das natürlich nicht, dass es in der EU keine Probleme gibt bzw. dass alles in Ordnung ist. Wir glauben aber, dass folgende Einstellung vernünftig ist: Bei jeder großen Einheit – egal ob es sich um ein Unternehmen, die eigene Regierung oder eben die EU handelt – gibt es Probleme. Das ist auch nicht verwunderlich, weil wir sonst in einer perfekten Welt leben würden. Aus Future Aid Sicht ist aber entscheidend, ob die Institution in Summe gute oder schlechte Arbeit macht.

[21] Die Grafik stammt von Ziko van Dijk. Quelle: Wikipedia - Organe der Europäischen Union