Herzlich willkommen! Wir freuen uns sehr, dass Sie da sind!
Wir haben in Artikel 7 bedrohliche Entwicklungen gesehen, aber nicht wo die Grenzen dieser Entwicklungen sind.
Warum ist es wichtig, die Belastungsgrenzen unseres Planeten zu kennen?
Was geschieht eigentlich, wenn Grenzen erreicht oder überschritten werden?
Future Aid ist kein Weltuntergangsprophet! Ein Aussterben des Menschen wird daher von seriösen Forschern auch nicht vorhergesagt. Je nachdem wie stark Grenzen überschritten werden, reichen die Auswirkungen von „sehr ungemütlich und sehr teuer“ bis zum „Tod von Millionen Menschen und der Unbewohnbarkeit großer Teile der Erde“.
Bei unseren drei Hauptthemen – Klimawandel, Bevölkerungswachstum, Wirtschaftswachstum – sind die Grenzen unterschiedlich gut bekannt. Aber auch wenn wir sie nie genau kennen werden und – hoffentlich – nie erleben werden, haben wir doch ausreichendes Wissen, wo sie liegen![1]
Jeder Mensch hat seine eigene Vorstellung was er als Katastrophe bezeichnet. Wir beschränken uns hier auf einige wenige Beispiele.
Der Stern Report:[2]
Der Stern Report ist ein Meilenstein in der Klimafolgenforschung!
Wichtige Erkenntnisse:
ABER: Die Kosten um das zu verhindern liegen bei jährlich etwa 1% der weltweiten Wirtschaftsleistung. D.h. vereinfacht - wenn wir auf 1/100 unseres jetzigen Wohlstands verzichten würden, lassen sich negative Entwicklungen vermeiden, die der Welt bis zu 1/5 ihrer Wirtschaftsleistung kosten könnten.[8] Das bedeutet Vermeiden ist 20-mal billiger als Reparieren!
Damit Sie mit den Temperaturangaben oben etwas anfangen können, sehen Sie sich bitte unten stehende Grafik an.[9][10] Die CO2-Konzentration ist die strichlierte Linie und die Werte sind auf der linken Achse. Sie kennen diese Werte bereits aus Artikel 7. Der Temperaturanstieg ist die rote Linie und die Werte sind auf der rechten Achse. Was sehen wir dort:
Kipp-Punkte des weltweiten Klimasystems[12]
Future Aid kann sich gut vorstellen, dass sich viele Leser fragen „Was ist so schlimm daran, dass es um 2 oder 3 oder mehr Grad wärmer wird?“ Eine weitere Frage könnte sein: „Warum ist es so wichtig, die Erderwärmung gerade bei 2 Grad zu begrenzen?“
Die Fragen sind berechtigt!
Das Hauptproblem dabei sind die Kipp-Punkte des Klimasystems. Vereinfacht bedeutet ein Kipp-Punkt Folgendes:
Welche Kipp-Punkte gibt es?[13]
Ein Beispiel das die Bedeutung der Kipp-Punkte - wie wir glauben - sehr anschaulich erläutert:[15]
Zugegeben das alles würde relativ langsam vor sich gehen. ABER: Es wäre unvermeidlich weil durch den Menschen unbeherrschbar!
Haben Sie nun eine Vorstellung, warum das 2-Grad-Ziel nicht willkürlich ist und haben Sie nun eine Vorstellung von tatsächlichen Katastrophen?
Belastungsgrenzen des Planeten[17][18]
9 Risikofaktoren bestimmen die Stabilität und Widerstandskraft der Erde – also die Wechselwirkungen zwischen Land, Ozeanen, Atmosphäre und Lebewesen, die zusammen die Umweltbedingungen ausmachen, von denen unser Leben abhängt:
1) Klimawandel,
2) Verlust Biovielfalt,
3) Waldverlust,
4) Wasserverbrauch,
5) Phosphor- und Stickstoffbelastung,
6) Übersäuerung der Ozeane,
7) Partikel in der Atmosphäre,
8) Zerstörung der Ozonschicht,
9) Belastung durch Chemikalien.
Für 2 Risikofaktoren – Belastung durch Chemikalien und Partikel in der Atmosphäre – können wir die Grenzwerte derzeit noch nicht angeben. Faktum ist aber, dass wir bei 4 von 9 Risikofaktoren bereits die kritische Grenze überschritten haben – Klimawandel, Verlust Biovielfalt, Waldverlust und Phosphor- und Stickstoffbelastung.
Was bedeutet das Überschreiten der Grenzen?
„Wird eine Grenze überschritten, besteht die Gefahr irreversibler und plötzlicher Umweltveränderungen, die die Bewohnbarkeit der Erde für die Menschheit einschränken.“[20]
Wir haben jetzt eine erste Ahnung von ökologischen Grenzen. Sehen wir uns einmal andere Grenzen an.
Grenzen der Energieversorgung
Im Jahr 2005 betrug die Weltbevölkerung 6,52 Mrd. Menschen. Im Jahr 2015 waren es 7,35 Mrd. Dies ist eine Steigerung von ca. 13%.[21]
Im Jahr 2005 betrug der Weltenergieverbrauch 10.940 Mio. t Öläquivalent. Im Jahr 2015 waren es 13.147 Mio. t. Dies ist eine Steigerung von ca. 20% - oder ca. 1,8% pro Jahr.[22]
Was lernen wir daraus? Der Energiehunger der Welt steigt stärker als die Bevölkerung!
Die Ölreserven der Welt betrugen 2015 1.698 Mrd. Fass.[23] Der Ölverbrauch betrug 35 Mrd. Fass. BP schätzt also, dass die Ölreserven noch bis 2066 – also 51 Jahre – reichen werden. BP beachtet dabei aber nicht eine steigende Weltbevölkerung! Wenn wir die steigende Weltbevölkerung berücksichtigen dann haben wir noch Öl bis voraussichtlich 2056 – das sind 41 Jahre! Und dabei gehen wir davon aus, dass der Pro-Kopf-Verbrauch plötzlich nicht steigen würde – wie realistisch das ist, zeigen die Zahlen oben!
Bei Erdgas sieht die Rechnung folgendermaßen aus: Einem Verbrauch von 3,47 Trio. cm pro Jahr[24] stehen Reserven von 186,9 Trio cm. gegenüber. BP schätzt, dass dies noch für 53 Jahre reicht. Wenn man die steigende Weltbevölkerung einrechnet, haben wir aber nur mehr Gas bis 2060 – das sind 45 Jahre – ohne Steigerung des Pro-Kopf-Verbrauches!
Betrachten wir die erneuerbaren Energien: Die Produktion ist von 83,2 Mio. t[25] Öläquivalent[26] in 2005 auf beachtliche 364,9 Mio. t Öläquivalent in 2015 gestiegen – das ist eine Steigerung von 15,9% pro Jahr.
ABER:
Die 364,9 Mio. t Öläquivalent an erneuerbarer Energie waren nur 2,8% der gesamten Energieerzeugung der Erde (siehe die 13.147,3 Mil. t oben!). Weiters müssen wir beachten, dass 20% der erneuerbaren Energie 2015 Biotreibstoffe waren. Wollen wir die steigende Weltbevölkerung ernähren, werden wir die Anbauflächen für Nahrungsmittel brauchen. Wenn wir davon ausgehen, dass der Energieverbrauch jährlich weiterhin um 1,8% steigt, müsste die Erzeugung von erneuerbaren Energien von jetzt an bis 2060 jährlich um 11%[27] gesteigert werden, damit wir 2060 unabhängig von Öl, Gas, Kohle und Atomkraft sind! Das ist eine fulminante Herausforderung!
Wir sollten bei Öl aber nicht nur an Energie denken, sondern z.B. auch an die unzähligen Kunststoffe, die aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind und aus Ölprodukten hergestellt werden! Denken Sie z.B. einmal an Spritzen[28] in Krankenhäusern – wollen wir wieder Metall-/Glasspritzen in heißem Wasser desinfizieren?
Welche Chancen wollen wir unseren Kindern – und die werden bis 2060 leben – bieten?
Ökologischer Fußabdruck[29][30]
Davon haben Sie sicher schon gehört. Aber was ist das eigentlich? Vereinfacht erklärt: Unter dem ökologischen Fußabdruck[31] wird die Fläche auf der Erde verstanden, die notwendig ist, um den Lebensstil und Lebensstandard eines Menschen (unter den heutigen Produktionsbedingungen) dauerhaft zu ermöglichen. Den für die Menschen verfügbaren Land- und Wasserflächen (Biokapazität) werden diejenigen Land- und Wasserflächen gegenübergestellt, die in Anspruch genommen werden (Fußabdruck), um den Bedarf der Menschen zu decken und den dabei erzeugten Abfall aufzunehmen. Die Methode hat weltweit große Anerkennung gefunden und wird von vielen internationalen Institutionen verwendet.
Was zeigt uns die Grafik?
Was zeigt uns die Grafik?
Biokapazität +28%
Weltbevölkerung +121%
Ressourcenverbrauch +148%
Was bedeutet das zusammengenommen?
Was zeigt uns die Grafik!
Lesen Sie nochmals den Artikel 8 „Die Bakterien in der Flasche“ - glauben wir ernsthaft, dass diese Entwicklung so weitergehen kann, ohne dass es zur Katastrophe führt?
Wie ist es möglich, dass wir seit 1970 mehr verbrauchen als vorhanden ist?
Kohle, Öl und Gas ist nichts anderes als seit Millionen von Jahren gespeicherte Biomasse. Durch den Abbau verbrauchen wir also nicht Biomasse die JETZT produziert wird, sondern Biomasse die FRÜHER produziert wurde. Dadurch ist es möglich, dass wir „auf Pump“ leben.
Was verschlechtert unseren Fußabdruck hauptsächlich?
Durch die Nutzung von Kohle, Öl und Gas – aber hier dominant durch das Verbrennen – entsteht CO2. Beim Fußabdruck wird nun berechnet wie viel Fläche die Erde benötigen würde um dieses CO2 zu binden (= in Pflanzen zu speichern) damit die Atmosphäre nicht belastet wird.
Wie wir aus obiger Grafik sehen, ist CO2 der dominante Faktor für unseren zu großen Fußabdruck, der die Biokapazität der Erde übersteigt. Ohne vom Menschen verursachten CO2-Ausstoß wäre die Erde auch 2012 noch im Gleichgewicht!
Ist die Welt noch zu retten – ein Gedankenexperiment:
Variante 1:
Nehmen wir an die Weltbevölkerung, wächst wie angenommen bis 2100 auf 11,2 Mrd. Menschen an. Dann dürfte jeder Mensch 2100 nur noch 1,53 gha verbrauchen (Fußabdruck) – das haben wir in der ersten Grafik gesehen. Dies ist dramatisch weniger als die 2,83 gha, die wir pro Mensch 2012 verbraucht haben. Aber die 1,53 gha sind noch immer viel weniger als die 1,14 gha, die wir 2012 je Einwohner OHNE CO2 verbraucht haben.
Daraus folgt: Wenn die Menschen den Verbrauch von Kohle, Öl und Gas dramatisch senken würden (um 77%) dann wäre auch noch 2100 genug Bio-kapazität für jeden vorhanden!
Variante 2:
Nehmen wir an es würde gelingen dass die Weltbevölkerung ab 2030 alle 10 Jahre um 5% zurückgeht. Dann hätten wir 2100 ca. 6 Mrd. Menschen – soviel wie im Jahr 2000. Der Fuß-abdruck je Mensch könnte dann sogar leicht über dem Niveau von 2012 liegen (2,89 gha), ohne die Erde aus dem Gleichgewicht zu bringen!
Daraus folgt: Wenn die Weltbevölkerung um 16% geringer wäre als 2015, dann wäre keine Not-wendigkeit für Einschränkungen gegeben![33]
In beiden Fällen wäre die Welt 2100 wieder im Gleichgewicht!
Wir hoffen Sie verstehen jetzt, warum Future Aid das Bevölkerungswachstum als eine der drei größten Herausforderungen für die Zukunft erachtet!
Eine sinnvolle Strategie ist wohl die Kombination aus beidem – Eindämmen des Bevölkerungswachstums und massive Reduktion des Verbrauchs von Kohle, Öl und Gas!
Dieses Gedankenexperiment sollte Ihnen aber nur eines zeigen:
Wenn wir es nur wollen und tun, ist die Katastrophe abwendbar!
Bleiben Sie dran – hören Sie nicht auf zu lesen!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
[1] In diesem Artikel werden hauptsächlich Grenzen im Hinblick auf den Klimawandel aufgezeigt, um die Länge des Artikels nicht zu sprengen. In späteren Artikeln wird eingehend auf Grenzen des Bevölkerungswachstums und der Wirtschaftsleistung eingegangen. Vereinfacht gesagt zeigen uns Grenzen für den Klimawandel auch Grenzen bei Bevölkerung und Wirtschaftsleistung auf, weil – vereinfacht - mehr Bevölkerung und mehr Wirtschaftsleistung mehr Klimawandel bedeutet.
[2] Der ehemalige Weltbank-Chefökonom und jetzige Leiter des volkswirtschaftlichen Dienstes der britischen Regierung Nicholas Stern hat im Auftrag der britischen Regierung einen rund 650 Seiten starken Bericht erstellt, der insbesondere die wirtschaftlichen Folgen der globalen Erwärmung untersucht. Sowohl Autor als auch Auftraggeber stehen wohl nicht im Verdacht, Panikmacher zu sein.
[3] Stern, Nicholas (2006): Stern Review on the Economics of Climate Change. Executive Summary Long Version German. In: The National Archives. UK Government Web Archive. Stern-Report (Original) (Stand: Juli 2016). Deutsche Zusammenfassung S. 5
[4] Ebd. S. 6
[5] Ebd. S. 6
[6] Ebd. S. 8
[7] Ebd. S. 11
[8] Ebd. S. 15
[9] Es sind dieselben CO2-Werte, die Sie schon aus Artikel 7 kennen. Die Temperaturen kommen aus derselben Quelle wie die CO2-Werte. In den technischen Anmerkungen zu Artikel 7 ist genau erklärt, wie Sie sich diese Zahlen selbst ansehen können. MAGICC
[10] Die Ergebnisse für 2015 sind bereits bekannt. „Die Oberflächentemperatur der Erde war 2015 die wärmste, seit die modernen Aufzeichnungen 1880 begannen… Die meiste Erwärmung fand in den letzten 35 Jahren statt, wobei 15 von 16 Rekordjahren allein auf die Zeit nach 2001 entfielen.“ NASA Goddard Institute for Space Studies. NASA (Stand Juli 2016)
[11] Auch hier muss man noch 0,6 Grad dazurechnen um auf den Anstieg seit 1850 - Beginn der industriellen Revolution - zu kommen. Der Wert von 3,2 Grad ist nur der Anstieg seit 1990. Die Aussagen des Stern-Reports beziehen sich aber auf den Anstieg seit 1850!
[12] Eine sehr gute und leicht verständliche Erklärung der Kipp-Punkte bietet das nur 23 Seiten lange Hintergrundpapier des Deutsche Bundesumweltamts. Kipp-Punkte. Der beste wissenschaftliche Artikel dazu - der ein Meilenstein der Klimaforschung war - ist Tipping Elements. Er ist aber schwer lesbar.
[13] Wer mehr über Kipp-Punkte lesen will: Bildungsserver - Wiki Klimawandel.
[14] Die Grafik ist aus: MISEREOR Grafiken zu Kipp-Punkten gibt es viele. Diese ist sehr anschaulich und in deutscher Sprache.
[15] Hier wird nur das Zusammenspiel von 2 Kipp-Punkten beschrieben. Tatsächlich sind wir beim Klimawandel durch 15 Kipp-Punkte bedroht.
[16] Sie können sich – für jeden Punkt der Erde - wie in einem Film ansehen, was bei einer Erwärmung von 2 bis 4 Grad überflutet wird! Sehr empfehlenswert! Surging Seas
[17] Diese Arbeit von 28 internationalen Wissenschaftlern – darunter Nobelpreisträger Paul Crutzen – ist ein Meilenstein um die Belastungsgrenzen des Planeten aufzuzeigen. Die Ergebnisse wurden 2009 veröffentlicht und wurden in die internationale Klimapolitik übernommen (2-Grad-Ziel). In Ergänzung zum Stern Report geht es hier jedoch nicht nur um Klimafragen, sondern um alle relevanten ökologischen Grenzen.
[18] Rockström, J.; Planetary Boundaries: Exploring the Save Operating Space for Humanity; In: Nature. 461, 2009, S. 472–475. (24 September 2009) Der gesamte Artikel: Planetary Boundaries
[19] In Anlehnung an: Wikipedia Planetarische Grenzen
[20] Siehe Wikipedia: Planetarische Grenzen
[21] Dieselben Zahlen, die wir schon in Artikel 7 verwendet haben. UN Population Division
[22] BP Statistical Review of World Energy June 2016 S. 40. Die Statistiken von BP werden sehr häufig verwendet.
[23] BP Statistikal Review of World Energy June 2016 S. 6 und 9
[24] BP Statistical Review of World Energy June 2016 S. 20 und 23. Trio. = Trillionen = 1 mit 18 Nullen. cm = Kubikmeter
[25] BP Statistical Review of World Energy June 2016 S. 38
[26] Erneuerbare Energien wie Windenergie oder Solarstrom werden - um vergleichbar zu sein - in „Öl“ umgerechnet.
[27] Eigene Berechnungen.
[28] Einwegspritzen sind in der Regel aus PVC. Ein wesentlicher Rohstoff ist Ethan, das aus Rohöl gewonnen wird.
[29] Weiterführende Informationen bekommen sie auf der deutschen Webseite des Global Footprint Network
[30] Zu diesem Kapitel gibt es technische Anmerkungen.
[31] In Anlehnung an Wikipedia: Ökologischer Fußabdruck Der Ökologische Fußabdruck wir in Globalen Hektar (gha) angegeben.
[32] Die Daten für Biokapazität und Fußabdruck stammen von der Webseite des Global Footprint Network. Die Daten zur Weltbevölkerung stammen von der UN Population Division - wir kennen sie schon aus Artikel 7.
[33] Damit wäre natürlich nur das Problem des zu hohen Ressourcenverbrauchs rechnerisch gelöst. Das Problem, wodurch wir Öl und Gas mittelfristig ersetzen, bliebe bestehen.
© Peter Jöchle 2016